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Geheimnisse der Burg Botzlar

Über den mittelalterlichen Gebäudebestand auf Botzlar ist in den Urkunden nur wenig überliefert. Als Anna von Gysenberg 1587 den Botzlarer Besitz unter ihren Kindern aufteilte, wurden ein Steinhaus, ein Bauhaus, ein Sommerhaus, ein Haus neben dem Steinhaus mit Saal, Stuben, Gemächern und Kellern, sowie Brücken, Pforten und Gräften als Bauten genannt. Ebenso ist ausgehend von den Überlieferungen zu vermuten, dass jeder der auf der Burg zu Verteidigungszwecken lebende Burgmann (im 14. Jahrhundert werden 17 Burgmänner genannt) mit einem Haus auf dem Burggelände ausgestattet war. Der Standort des Kerngebäudes der Burganlage wird im Bereich des heutigen Hauses Botzlar vermutet. Ein annähernd quadratischer Bereich im südlichen Gebäudeteil, der eine Mauerstärke von fast zwei Metern erreicht, wird als Rest des mittelalterlichen Wohnturms interpretiert.

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Buddeln an Burg Botzlar – Archäologen begleiten Bauarbeiten

Auf den ersten Blick ist heute die ursprüngliche mittelalterliche Bausubstanz der Burg Botzlar verschwunden. Allerdings verbergen sich auf dem auch als Bodendenkmal eingetragenen, ehemaligen Burggelände Strukturen, die Einblick in die mittelalterliche Anlage geben. Um diese Strukturen auch für die Nachwelt zu erhalten, sieht die Archäologie heute von anlasslosen großflächigen Grabungen ab. Soll aber aufgrund von neuen Baumaßnahmen in die bestehende Bodensituation eingegriffen werden, wird diese durch bauvorbereitende archäologische Grabungen dokumentiert. Auf dem ehemaligen Burggelände fanden bisher vier archäologische Untersuchungen statt.

Bei der Grabung im November 2018 wurden die Fundamentmauern eines vermutlich mittelalterlichen Wohnturms im südlichen Teil des Hauses Botzlar freigelegt. Hellgrau zeigt sich die Verfüllung der ehemaligen Baugrube, gelborange und dunkelgrau der anstehende Boden. Foto: EggensteinExca Thies Evers

Vor der Errichtung des heutigen Bürgerzentrums wurden 1987 und 1991 im Areal des geplanten Neubaus Grabungen durchgeführt. Dieses Areal befand sich im nördlichen Teil der ehemaligen Vorburg. Am Rande des ehemaligen, heute verfüllten Wassergrabens wurden hölzerne Böschungsversteifungen und Bewehrungen aus starken Pfosten gefunden. Ebenso zeigten sich Geländeaufschüttungen oberhalb des gewachsenen Bodens sowie Pfostensetzungen von Gebäuden und weitere aus Mauern und Pflastern bestehende Bebauungsreste. Der Fund von Keramik aus dem 12. Jahrhundert belegte eine Besiedlung des Burgareals schon vor der ersten schriftlichen Erwähnung Botzlars 1282. Überraschend war der Fund eines verfüllten, durch das Areal verlaufenden Wassergrabens. Die Vorburg dehnte sich also ursprünglich nicht so weit nach Westen aus, wie in der Endphase ihres Bestehens. Die in diesem Graben gefundenen Pfähle konnten durch dendrochronologische Untersuchungen auf das 14. Jahrhundert datiert werden.

Der Erweiterungsbau eines Supermarktes im westlichen Teil des ehemaligen Vorburggeländes veranlasste 2011 eine weitere archäologische Baubegleitung. Dabei stießen die LWL-Archäologen auf eine in den 1960 er Jahren verfüllte Gräfte, in deren Längsrichtung 2,20 Meter unter der heutigen Oberfläche sechs Pfähle entdeckt wurden. Die ursprüngliche Funktion dieser, bis zu 1,90 Meter langen, mitten in der Gräfte stehenden Pfähle konnte nicht rekonstruiert werden.

2011 wurden in einer verfüllten Gräfte Pfähle entdeckt. Das Bild zeigt die Fundsituation mit den Standorten der Pfähle. Foto: LWL-Archäologie für Westfalen

Da die umfangreiche Sanierung und Modernisierung des Hauses Botzlar zu einem bürgerschaftlichen Zentrum auch mit Eingriffen in die das Gebäude umgebene Bodenstruktur verbunden sein würde, veranlasste die LWL-Archäologie 2018 eine vorausgehende archäologische Untersuchung der Baugruben. Die Untersuchungsflächen lagen auf der Vorder- und Rückseite des Gebäudes. In der rückseitigen Untersuchungsfläche kamen zunächst die Fundamente des 1978 abgebrochenen Anbaus zum Vorschein, dessen Entstehungszeit frühestens um die Mitte des 18. Jahrhunderts angesetzt wurde.

Blick aus dem Dachgeschoss auf die rückseitige Grabungsfläche 2018. Foto: EggensteinExca Thies Evers

Bei der Errichtung dieses Anbaus wurden ältere Bauten überbaut, die im Zuge der Grabung in tieferen Schichten zu Tage traten. So fanden die Archäologen eine unmittelbar an die Rückwand des heutigen Gebäudes anschließende Kloake, die über einen Graben mit der heute verfüllten Gräfte verbunden war. Durch das Fehlen entsprechenden Fundmaterials, konnte die genaue Bauzeit der Kloake nicht datiert werden. Darüber hinaus wurde unterhalb der rückseitigen Wand ein Fundament freigelegt, die als Bestandteil des ältesten, originalen Burgbaus gedeutet wird. Auch bei der auf der Vorderseite von Haus Botzlar durchgeführten kleinflächigen Grabung kamen Fundamente zum Vorschein, die wahrscheinlich zur originalen mittelalterlichen Bebauung gehören.

Dieses an die Rückseite anschließende Bauwerk deuten die Archäologen als ehemalige Kloake. Links oben ist der Durchlauf zum dunkel verfüllten Abflussgraben erkennbar. Foto: EggensteinExca Thies Evers

Wie schon bei den vorhergehenden Grabungen stießen die Archäologen auf einen verfüllten Wassergraben. Die östliche Giebelwand des freigelegten Anbaus stand in dieser Gräfte. Zur Bauzeit des Anbaus lag der Graben zwar trocken, war aber noch nicht verfüllt. Die Untersuchung des Bodenaufbaus im Bereich der Gräfte ergab, dass die in ihr abgelagerten Schichten vermutlich bis in das Hoch- bzw. Spätmittelalter zurückreichen. Auch wurden wieder Pfostensetzungen im Randbereich der Gräfte entdeckt. Die bis über 80 cm tief in den Boden eingetriebenen Spitzpfähle wurden im Zuge der Errichtung des Anbaus gezogen. Ihre Funktion bleibt unklar.

Profil durch die Verfüllung einer früheren Gräfte. Die Pfostengrube ist als senkrechter grauer Streifen in der Bildmitte erkennbar, welcher die unteren Einspülschichten stört. Foto: EggensteinExca Thies Evers

Das während der Grabung geborgene Fundmaterial bestand überwiegend aus neuzeitlichen Keramik- und Glasfragmenten. Ebenso kamen Bauschuttreste sowie als Küchenabfälle zu deutende Haustierknochen zum Vorschein. Auch mittelalterliche Keramik in Gestalt hartgebrannter geriefter grauer Irdenwaren bzw. Steinzeuge konnte geborgen und die ältesten Funde grob in die Zeit nach 1180 datiert werden. Erwähnenswert ist der Fund von Kalk- und Sandsteinblöcken, bei denen es sich um Reste von Tür- oder Fensterstürzen einer früheren Fassade der Burg oder von Nebengebäuden der Burganlage handeln könnte.

Bei diesen Fundstücken handelt es sich vermutlich um Reste von Tür- oder Fensteröffnungen einer früheren Fassade eines der Burggebäude. Foto: EggensteinExca Thies Evers
Bei diesen Fundstücken handelt es sich vermutlich um Reste von Tür- oder Fensteröffnungen einer früheren Fassade eines der Burggebäude. Foto: EggensteinExca Thies Evers

Die im Zuge der jüngsten Umbauarbeiten an der Burg Botzlar notwendigen Bodeneingriffe wurden engmaschig von der LWL-Archäologie begleitet. Einblicke in die Arbeit der Archäologen gewährt unser Videobeitrag.

Sabine Krämer
Historikerin

Quellen und Literatur

Eismann, Stefan: Die Ausgrabung auf dem Gelände der Edeka-Erweiterung im Bereich der Burg Botzlar in Selm vom 6.4. bis 2.5.2011. (unveröffentlichter Grabungsbericht, LWL-Archäologie für Westfalen)

Evers, Thies: Abschlussbericht Ausgrabung Selm, Burg Botzlar 15.10.-29. 11. 2018 (EggensteinExca) (unveröffentlichter Grabungsbericht)

Kneppe, Cornelia: Historisches Gutachten zur Burg Botzlar (Inventarisationsaktenarchiv des Fachreferats für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie für Westfalen)

Schwieters, Julius: Geschichtliche Nachrichten über den westlichen Theil des Kreises Lüdinghausen, die Pfarrgemeinden Venne, Ottmarsbocholt, Senden, Lüdinghausen, Seppenrade, Olfen, Selm, Bork, Kappenberg und Altlünen, Münster, 1891

Trier, B.: Bericht über die Tätigkeit des Westfälischen Museums für Archäologie – Amt für Bodendenkmalpflege – im Jahre 1987, in: Neujahrsgruß 1988. Jahresbericht 1987. Hrsg. v. Westfälisches Museum für Archäologie – Amt für Bodendenkmalpflege und Altertumskommission für Westfalen. Münster 1988, S. 3-81.

Trier, B.: Bericht über die Tätigkeit des Westfälischen Museums für Archäologie – Amt für Bodendenkmalpflege – im Jahre 1991, in: Neujahrsgruß 1992. Jahresbericht 1991. Hrsg. v. Westfälisches Museum für Archäologie – Amt für Bodendenkmalpflege und Altertumskommission für Westfalen. Münster 1992, S. 3-100.

Pläne der Grabungsschnitte 2018 unmittelbar östlich und westlich des Hauses Botzlar (EggensteinExca)