Prospektion Burg Cappenberg
Gesucht: Burg Cappenberg. Oder das, was von ihr übrig ist. Dass es sie gab, ist seit 1092 urkundlich bezeugt. Also: Wo ist das Problem?
Die ehemalige Höhenburg ist überbaut. Dort, wo sich im Hochmittelalter die Hauptburg der Grafen von Cappenberg befand, steht heute das Schloss Cappenberg. Wir suchen also die Reste einer Burg, die später ein Kloster wurde, unter einem Schloss und einem Schlossgarten. Archäologische Grabung? Ausgeschlossen. Die Archäologie kann hier nur zerstörungsfrei erkunden. Und so erforschten 2022 Fachleute die Überreste der Burg mit modernster Technik. Begleiten wir sie auf eine elektromagnetische Zeitreise …
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Die verschwundene Burg
Du möchtest dich selbst auf die Suche nach einer verschwundenen Burg machen? In diesem Spiel, entwickelt in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Wissenschaft, Archäologie und Geschichte, nehmen wir dich mit in eine weitestgehend echte Prospektion – wenn du es gut machst, bis zur Rekonstruktion einer Höhenburg. Enjoy.
Archäologie ohne Bagger und Spaten
Was war hier vor tausend Jahren? Archäologinnen und Archäologen erforschen die Geschichte, indem sie nach materiellen Zeugnissen der Menschen früherer Zeiten suchen: Das können Bauwerke sein, Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, Knochen, Kunstwerke … Traditionell suchen sie diese Funde und Befunde bei Grabungen mit Bagger, Spaten, Kelle, Pinsel – und Knieschonern.
Moderne Techniken machen es heute möglich, frühere Siedlungen und Gebäude vor unseren Augen erstehen zu lassen, ohne ihre Reste auszubuddeln. Diese Methoden dienen der „Prospektion“, also der Erkundung archäologischer Fundstellen. Sie nutzen bevorzugt bildgebende Verfahren wie in der Medizin, um die im Boden verborgenen Strukturen zu erfassen und darzustellen. Und zwar zerstörungsfrei und „nichtinvasiv“, also ohne in den Boden einzudringen. Nur von außen.
Mit Flugzeug und Drohne, Laser und Radar
Die Luftbildarchäologie hält Ausschau nach Unterschieden in der Vegetation, die verraten, dass sich etwas im Boden befindet. Laserscans der Erdoberfläche machen Grabhügel, Wälle, Gräben und andere Teile der alten Kulturlandschaft sichtbar. Und mit den Methoden der Geophysik spüren Fachleute Mauerreste oder verfüllte Gruben im Boden auf, indem sie diverse physikalische Eigenschaften messen – etwa feine Abweichungen des Magnetfeldes oder die Reflexion von Radarwellen.
Mit diesen Methoden haben die Expertinnen und Experten der LWL-Archäologie für Westfalen schon viele Anlagen und Gebäude aus der Vergangenheit entdeckt – von Siedlungsresten aus der Steinzeit übers Mittelalter bis hin zu einem Tennisplatz aus dem 19. Jahrhundert!
In Absprache mit der LWL-Archäologie beauftragte VIRTEUM 2022 die ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) aus Wien mit der Suche nach den Überresten der Burg Cappenberg. Die zu untersuchende Fläche: rund 21.000 Quadratmeter – etwa drei Fußballfelder. Das Ziel: eine möglichst flächendeckende Messung. Die Methode: Bodenradar, denn er eignet sich vor allem, um Steinfundamente aufzufinden, den Verlauf früherer Mauerzüge und Gräben zu klären.
Was wir schon wussten …
Die Burg stand auf einem Felsvorsprung. Frühere archäologische Untersuchungen brachten Hinweise auf Wallfrontmauer und Toranlage einer Befestigung aus dem 9. bis 11. Jahrhundert, die eine Fläche von circa 80 mal 50 Metern im Südosten des Burgberges umschloss, vermutlich mit Vorburg. Wall und Mauer wurden später abgetragen, der vorgelagerte Graben verfüllt – wohl bei einem Ausbau der Burg im 11. Jahrhundert.
1122 entstand durch die Stiftung von Gottfried und Otto von Cappenberg anstelle der Burg ein Kloster – mit Kirche, Kreuzgang, Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen. Auch dies erfuhr mehrfache Umbauten, bis Anfang des 18. Jahrhunderts der schlossartige Neubau errichtet wurde.
Archäologische Grabungen legten 1940 um die Stiftskirche Fundamente des alten Klosters frei. Und als Anfang der 1990er-Jahre der Heizungskeller unter der Kirche erweitert werden sollte, fand das archäologische Team um Otfried Ellger bei Grabungen die Reste der ältesten Befestigung. Da war sie also!
Und was wir vermuten konnten …
Fachleute vermuten den Kern der Burg und des Klosters südlich und östlich der Stiftskirche – in einem Areal, das seit dem 18. Jahrhundert großenteils überbaut ist und für die archäologische Forschung nicht zur Verfügung steht. Aber die Grabungen hatten gezeigt, dass auch auf den freien Flächen noch ältere Mauerreste erhalten sind.
Auf diesen Bereich sollten sich die Radarmessungen konzentrieren, in der Hoffnung auf weitere Erkenntnisse zur mittelalterlichen Burganlage und der Klausur – des den Ordensangehörigen vorbehaltenen Bereichs – des späteren Klosters. Messungen im Park und Garten westlich des Schlosses sollten Hinweise auf die Vorburg, die mutmaßliche äußere Befestigung der Burg und Nebengebäude des Klosters ergeben.
Zeitreise in den Untergrund
Am 15. und 16. März 2022 fuhren wunderliche Geräte rund ums Cappenberger Schloss. Eines sah aus wie ein großer Rasenmäher, der von Hand über die Fläche geschoben wurde – aber mit Antennen und seltsamen Aufbauten. Das andere wurde von einem Quad gezogen. Die beiden Georadargeräte arbeiten mit der gleichen Antennenfrequenz (500 Megahertz) und gleichem Spurabstand. So lassen sich die generierten Daten digital zusammenführen zu einem 3D-Datensatz, ergänzt um die Ergebnisse kleinräumiger Messungen mit einer niederfrequenten Antenne (160 Megahertz), die etwas tiefer in den Boden reicht.
Mit den Waffen einer Fledermaus
Radar ist ein aktives System: Die Antennen der Georadargeräte senden in sehr kurzen Intervallen Radarpulse in den Boden. Dieses Signal wird von Objekten und Schichten im Boden unterschiedlich reflektiert. Die Stärke der Reflexion erlaubt Rückschlüsse auf Form und Art des Objekts oder Sediments, und anhand der Zeit, die zwischen gesendetem und empfangenem Signal verstrichen ist, können wir auf die Tiefe schließen. Die Fläche wird rasterförmig erkundet, dabei wird jeder Quadratmeter mit Dutzenden Messungen abgetastet.
Zeit in Scheiben
Das Ergebnis einer Bodenradarmessung sind Profile, auf denen wir die Stärke der Reflexion erkennen können. Die Profis messen sehr viele Profile in engen Abständen und errechnen daraus horizontale Querschnitte, sogenannte Tiefen- oder Zeitscheiben, die die reflektierenden Bereiche in den verschiedenen Tiefen in der Aufsicht zeigen. Sie bewegen sich also virtuell von oben nach unten durch den Boden. Für die Auswertung der großen Datenmengen nutzen sie digitale Bildverarbeitung. Ein Radargramm visualisiert die Daten in Graustufen oder farbig kodiert.
Mögliche Mauern, reflektierende Anomalien
Die Messungen in Cappenberg bewegten sich in einem Tiefenbereich zwischen 0,1 und 1,8 Meter. Schicht für Schicht, Punkt für Punkt werden reflektierende Strukturen, sogenannte Anomalien, erfasst – und interpretiert. Denn natürlich entdecken die Fachleute bei der Bodenuntersuchung auch alles Mögliche, nach dem sie nicht suchen: moderne Kanal- und Leitungssysteme zum Beispiel. Aber daneben finden sie Anomalien, die als Weg interpretiert werden können. Zwischen Pfarrhof und Kirche zeichnet sich eine reflektierende, langschmale Anomalie ab, die einen rechten Winkel bildet – eine Mauer? Eine weitere reflektierende, rechteckige Anomalie im Privatgarten des Grafen ist vielleicht die Standspur eines vergangenen Kleingebäudes. In der Tiefe von 0,4 bis 0,5 Metern zeigen sich in der südöstlichen Ecke der Messfläche, zwischen Kirche und Schloss, weitere mögliche Mauern. In 0,6 bis 0,7 Metern Tiefe ist vor dem Kirchenportal eine längliche Struktur erkennbar, die ebenfalls als mögliche Mauer interpretiert werden kann – und in 0,8 Metern Tiefe noch besser sichtbar wird.
Eine vertikale Spurensuche
Immer weiter und tiefer geht die Radarreise: Erahnbare Mauerreste verschwinden wieder, an anderen Stellen der weiten Fläche tauchen weitere Anomalien, mögliche Mauern älterer Bauwerke auf. Ab etwa 1,7 Metern Tiefe schwinden die erkennbaren Strukturen, das Radarsignal wird zu schwach für eine sinnvolle Bildgebung.
Sicher im Verborgenen
Die Ergebnisse ergänzen die Erkenntnisse früherer Grabungen, aber sie liefern nicht genug Informationen, um daraus die Burg zu rekonstruieren. Die Prospektion macht hier leider nicht möglich, was an anderen Orten durchaus gelang: die Rekonstruktion und 3D-Visualisierung einer untergegangenen mittelalterlichen Burg.
Aber nichts ist verloren! Denn zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden belassen die archäologischen Quellen dort, wo sie am besten geschützt sind: im Boden. Eine Grabung hingegen können wir niemals wiederholen. Haben frühere Forschungsteams die Befundlage nicht richtig eingeschätzt, keine Bilder gespeichert, etwas übersehen – ist es verloren. Die Prospektion erkundet, ohne zu zerstören. Und überlässt die Artefakte einer vielleicht noch fortschrittlicheren Zukunftstechnologie.